Der Vertriebscoaching-Blog "Leichter verkaufen ohne Druck"
12.04.2023
Vertriebsprozesse: Entscheidend ist, was hinten rauskommt!
In der heutigen Business- und Vertriebswelt werden oft nur Zwischenergebnisse gefeiert. Haben Sie das auch schon beobachtet? Was meine ich genau damit?
Wir freuen uns, wenn wir viele Kontakte und Likes bei LinkedIn erhalten. Wir freuen uns über ein angenehmes Kundengespräch. Wir freuen uns, dass nach den vielen Corona-Beschränkungen endlich wieder Messen und Konferenzen stattfinden können. Wir freuen uns über viele Kundenanfragen. Wir freuen uns, wenn die Leadgenerierung unserer Marketing-Maschine funktioniert. Wir freuen uns über positive Pressemitteilungen. Wir freuen uns über neue Business-Partnerschaften.
Es ist gut, dass wir uns darüber freuen und ich freue mich mit Ihnen. Wir Menschen brauchen positive Erlebnisse im Privaten wie im Business, geraden in der heutigen Zeit. Daher lasst uns diese erfreulichen Dinge – und wenn sie auch noch so klein sein mögen – ruhig feiern. Aber was haben alle Beispiele gemeinsam? Wenn Sie genau hinschauen, werden Sie feststellen, dass es streng genommen nur Zwischenergebnisse sind. Was wäre denn ein gutes Endergebnis?
In die Vertriebswelt übertragen fokussieren nun mal fast alle dieser Aktivitäten auf den Auftrag, den Vertragsabschluss, letztendlich auf Umsatz- und Gewinnsteigerungen. Was habe ich von vielen Followern bei LinkedIn, wenn niemand davon bei mir kauft? Was bringen mir Messen, Kundengespräche, Pressemitteilungen, Partnerschaften, Leads und Kundenanfragen, wenn daraus keine Umsätze entstehen? Oder anderes ausgedrückt: Was nützt mir eine Steigerung der Reichweite ohne eine gleichzeitige Steigerung meiner Kundenzahl?
Der Weg ist nicht immer das Ziel
Bedeutet das im Umkehrschluss, dass wir uns nur auf den Vertragsabschluss fokussieren und alle Schritte dorthin außer Acht lassen sollten? NEIN, genau das nicht! Denn das führt zu leider immer noch verbreiteten Ausartungen bei den sogenannten Abschluss-Techniken im Verkauf und letztendlich zum Drückerkolonnen-Image. Zwischenschritte und Zwischenergebnisse sind enorm wichtig auf dem Weg zum Ziel. Aber hart gesagt ist im Vertrieb leider fast nie der Weg das Ziel. Wer den Weg feiert, betrügt sich letztendlich nur selbst, weil er seine Aktivitäten nicht zu Ende gedacht hat. Ich freue mich immer über gute Stimmung im Vertrieb, aber: Feiert Aufträge, keine Leads! Gerne können Sie sich über Erfolge auf Ihrem Weg freuen, aber verlieren Sie nie das finale Ziel aus den Augen!
Ich habe vor kurzem an einem einstündigen Webinar zum Thema Public Relations für Unternehmen teilgenommen. An konkreten Beispielen wurde demonstriert, wie sich die PR-Maßnahmen positiv ausgewirkt haben. Der beauftragte Dienstleister hat ein umfangreiches Controlling angewendet. Jede Presseveröffentlichung wurde inkl. der jeweiligen Reichweite erfasst und ausgewertet. Die Zahlen waren beeindruckend, aber was ich während der gesamten Präsentation vermisst habe: Nicht ein einziges Mal wurde auch nur ansatzweise erwähnt, ob durch die Aktivitäten auch tatsächlich neue Kunden oder Aufträge bei Bestandskunden generiert wurden. Durch meine Vertriebsbrille betrachtet hat die ganze Aktion streng genommen nur sehr viel Geld gekostet, denn die Auswertungen waren lediglich Zwischenergebnisse.
Noch ein Beispiel gefällig? Letzte Woche habe ich ein Interview auf einem renommierten Marketing-Portal gelesen. Es ging um B2B-Leadgewinnung über LinkedIn. Auf die Frage nach den Erfolgen seiner Kampagnen kam die Antwort vom Marketing Manager eines großen Konzerns, dass man zum Umsatz nichts sagen könne. Seine Aussagen beruhten insgesamt sehr stark auf dem Prinzip Hoffnung. Ich weiß nicht wie es Ihnen geht, aber wenn ich der Vertriebsleiter in diesem Unternehmen wäre, würde ich mir natürlich dringend Gedanken machen, mit welchen Maßnahmen aus den gewonnenen Leads lukrative Aufträge werden. Im konkreten Fall gehe ich auch davon aus, dass es eine starke Vertriebsmannschaft gibt, die genauso professionell den Prozess nun weiterführt wie er begonnen wurde. Aber ich befürchte leider auch, dass dies längst nicht immer der Fall ist. Ich habe schon genügend Einblicke erhalten, bei denen ich nur noch staunte, wie fahrlässig in vielen Firmen vielversprechende Verkaufschancen einfach so vor sich hindümpeln. Bei Nachfragen erhält man dann oft die Antwort: „Der Kunde hat sich nicht mehr gemeldet, da scheint also doch kein Interesse vorhanden zu sein.“
Vertrieb muss zu Ende gedacht und gelebt werden
Man mag zu unserem Ex-Kanzler Helmut Kohl stehen wie man will, aber in diesem Zusammenhang ist mir ein Zitat eingefallen, das ich ihm erst gar nicht zugeordnet hatte. Helmut Kohl hat während einer Pressekonferenz im Jahr 1984 geantwortet, als er für seinen Regierungsstil kritisiert wurde: „Entscheidend ist, was hinten rauskommt!“. Auch wenn es noch so platt klingt: Ich glaube, oft ist es genau diese simple Weisheit, die noch fehlt, um letztendlich den gewünschten Erfolg zu haben.
Viele Vertriebsprozesse sind meiner Meinung nach nicht bis zum Ende definiert. In der heutigen Zeit wird sehr viel auf die erste Phase Wert gelegt, um überhaupt erst mal den Kontakt zum potenziellen Neukunden herzustellen. Leadgenerierung ist das Zauberwort, zumal es wohl Methoden und Werkzeuge gibt, die das scheinbar wie von Geisterhand völlig automatisiert erledigen. Bitte nicht falsch verstehen: Moderne Tools und Vorgehensweisen aus dem Bereich Online-Marketing sind sehr wichtig geworden und können tatsächlich sehr gut unterstützen. Aber ein Lead ist nun mal kein Auftrag. Viele „Vertriebssysteme“ enden mitten im Prozess. Man könnte implizieren, dass die restlichen Schritte von alleine laufen. Das kölsche Mantra „Et hätt noch immer jut jejange“ ist im Vertrieb kein guter Glaubenssatz.
Der Sales-Funnel ist kein gutes Modell
Eine der Hauptursachen, warum Vertriebsprozesse nicht zu Ende gedacht und gelebt werden, ist meiner Meinung nach das weit verbreitete Funnel-Modell. Während ich gehofft habe, dass der Vertriebstrichter (der sog. „Sales Funnel“) so langsam ausstirbt, haben die Marketing-Leute das Ganze vor einigen Jahren wieder gehypt. Seitdem wird jede Vertriebsaktivität in einen „Funnel“ gepresst, mit mehr oder weniger skurrilen Ausprägungen: So kennt natürlich jeder Marketing-Spezialist den Tripwire-Funnel, zu Deutsch: Stolperdraht-Trichter. In welcher Vertriebs- und Marketingwelt leben wir eigentlich, in der den Kunden Stolperdrähte gespannt werden?
Was gefällt mir am Trichtermodell nicht? Ganz einfach: Alles, was man üblicherweise in einen klassischen Trichter (z.B. im Haushalt) reinkippt, kommt irgendwann – mal mehr und mal weniger schnell – unten wieder raus. Das ist GENAU der Haupt-Denkfehler, den diese Funnels beinhalten: Kippe nur genug oben rein, es wird schon irgendwann unten in Form eines Auftrags wieder rauskommen. Das entspricht schlichtweg nicht der Realität, denn die tatsächlichen Vertriebstrichter haben dummerweise immer irgendwo Löcher, und meist weiß man gar nicht genau, wo die Austrittsstellen liegen. Außerdem endet jeder Vertriebstrichter beim Auftrag. Dabei geht die Kundenbeziehung ab diesem Zeitpunkt ja erst richtig los und birgt Potenzial für weiteres Geschäft.
In einem meiner nächsten Newsletter erläutere ich gerne, welche Alternativen es zum Sales Funnel gibt und warum eine Kreislaufbetrachtung ohnehin viel geeigneter ist.
Verschiedene Wege führen zum Kunden, aber nicht alle sind erfolgreich
Zum Schluss zurück zur Ausgangslage: Es soll Menschen geben, die ohne viele LinkedIn- und XING-Kontakte richtig viel Umsatz machen. Manche von denen haben noch nicht einmal ein Profil hier.
Auf der anderen Seite ein weiteres Beispiel: Viele Business-Partnerschaften bringen keine neuen Kunden. Warum ist das oft so? Weil sich jede Seite bei diesen Partnermodellen auf den anderen verlässt und hofft, gegenseitig voneinander zu profitieren. Letztendlich passiert aber meist gar nichts.
Wichtig ist also, dass die Prozesse auf dem Weg zum Auftrag und/oder neuen Kunden mit allen Details und möglichen Austrittspunkten festgelegt und permanent angepasst werden müssen. Viel mehr noch: Das Durchdenken alleine reicht nicht, denn natürlich müssen Verkaufsprozesse auch gelebt werden.
In jedem Falle gilt: Entscheidend ist, was hinten rauskommt!
Oliver - 20:48 @ B2B-Vertrieb, Vertriebsstrategie